Haftung des Arbeitgebers für Impfschäden

Wurden Arbeitnehmer im betrieblichen Umfeld gegen Covid-19/Corona geimpft, müssen Arbeitgeber womöglich für Impfschäden haften. In einem aktuellen Aufsatz im 34. Heft der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 2024, 2430)  haben Vors. Richter am Landesarbeitsgericht Roland Stöbe und Rechtsassessor Daniel Stach verschiedene Konstellationen beschrieben, in denen Geschädigte unter erleichterten Voraussetzungen Schadensersatz geltend machen. können. 

Freiwillig haben sich die meisten Arbeitgeber sicherlich nicht an den Impfkampagnen beteiligt: Mit § 5 I 1 Corona-ArbSchV aF wurde dem Arbeitgeber erstmals auferlegt, den Beschäftigten zu ermöglichen, sich während der Arbeitszeit gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Zusätzlich verpflichtete § 5 I 2 Corona-ArbSchV aF, Betriebsärzte und überbetriebliche Dienste von Betriebsärzten, die Impfungen "aus Gründen des Bevölkerungsschutzes" im Betrieb durchzuführen, organisatorisch und personell zu unterstützen. Schließlich sah § 5 II Corona-ArbSchV aF die Aufklärung der Beschäftigten über die Gesundheitsgefährdungen bei einer Erkrankung an Covid-19 und die Information über die Möglichkeit einer Impfung vor. Diese Regelungen wurden in Folgevorschriften unverändert fortgeführt.

 

Haftungsfragen hängen von der Art der Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arzt und Arbeitnehmer ab.  Stöbe/Stich differenzieren:

 

Hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer selbst den Behandlungsvertrag geschlossen und zur Durchführung der Impfung einen angestellten Betriebsarzt oder einen externen betriebsärztlichen Dienst eingesetzt, haftet er grundsätzlich für deren Pflichtverletzungen nach §§ 280 I, 278 I, 630a BGB.

 

Soweit eine (Behandlungs-)Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arzt (mit Schutzwirkung) zugunsten Dritter besteht, wirkt die Verantwortung des Arbeitgebers für das „Wohl und Wehe“ des Arbeitnehmers. Eine Haftung könnte sich aus § 241 II iVm § 611a BGB aus der Verletzung der allgemeinen Fürsorgepflicht, welche dem Arbeitgeber als Nebenpflicht obliegt, ergeben. 

 

Grundsätzlich in Betracht komme laut Stöbe/Stich noch eine Haftung des Arbeitgebers nach § 823 I

BGB für betriebliches Organisationsverschulden oder gem. § 831 I BGB wegen eines

Auswahl- und Überwachungsverschuldens. Ob die die Impfung durchführende

Person „Verrichtungsgehilfe“ des Arbeitgebers ist, bedürfte dann einer gesonderten Prüfung.

 

Voraussetzung für die Haftung ist freilich, dass dem Arbeitnehmer der Nachweis gelingt, dass ein Impfschaden tatsächlich durch die Impfung verursacht wurde.

 

Darüber hinaus könnten Impfschäden als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit eingestuft werden, was Auswirkungen auf die Haftungsbeschränkung nach § 104 SGB VII hätte.

 

Interessant sind schließlich noch die Ausführungen zur Frage der Verjährung: Solange der Arbeitnehmer nicht auf die Impfung als Ursache für seine Beschwerden schließen könne, beginne auch die Verjährungsfrist nicht zu laufen. Bei Schadensersatzansprüchen wegen Aufklärungsmängeln beginne die Verjährung aber in der Regel selbst dann noch nicht. Hinzutreten müsse vielmehr auch die Kenntnis bzw. grobfahrlässige Unkenntnis, dass der Schaden nicht auf einem Behandlungsfehler beruhe, sondern eine spezifische Komplikation der medizinischen

Behandlung sei, über die der Geschädigte – was dem behandelnden Arzt bekannt sein musste – hätte aufgeklärt werden müssen.