BGH: Keine Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensabrechnung

Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen: VI ZR 40/18) die (teilweise) Erstattung von Umsatzsteuer im Falle einer fiktiven Schadensabrechnung erschwert: Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, ist die im Rahmen einer Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer nicht ersatzfähig, auch nicht in Höhe des im Schadensgutachten zugrunde gelegten Umsatzsteueranteils. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig. 

Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt:

 

1. Der bei Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag schließt die Umsatzsteuer nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Die Umsatzsteuer soll hingegen nicht ersetzt werden, wenn und soweit sie nur fiktiv bleibt, weil es zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung nicht kommt. Verzichtet der Geschädigte auf eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung und verlangt stattdessen den hierfür erforderlichen (gutachterlich ermittelten) Geldbetrag, erhält er nicht den vollen, sondern den um die Umsatzsteuer reduzierten Geldbetrag.

 

Dies gilt auch für den Fall, dass der Geschädigte - wie hier der Kläger - zwar tatsächlich eine umsatzsteuerpflichtige Ersatzbeschaffung vornimmt, die dabei anfallende Umsatzsteuer also zur Wiederherstellung des früheren Zustands einsetzt, für die Schadensabrechnung aber die für ihn günstigere Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung der Kosten der Ersatzbeschaffung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens wählt. Der Senat hat bereits entschieden, dass auch in diesem Fall von dem im Gutachten ausgewiesenen Brutto-Wiederbeschaffungswert die Umsatzsteuer in Abzug zu bringen ist, wobei sich diese nach dem fiktiven Ersatzbeschaffungsgeschäft bemisst.. Denn der Geschädigte muss sich an der gewählten fiktiven Schadensabrechnung jedenfalls dann festhalten lassen, wenn die konkreten Kosten einer tatsächlich erfolgten Ersatzbeschaffung unter Einbeziehung der Nebenkosten den ihm aufgrund der fiktiven Schadensberechnung zustehenden Betrag nicht übersteigen; eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig. Eine solche liegt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nur dann vor, wenn im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung zu dem im Gutachten ausgewiesenen Netto-Wiederbeschaffungswert die bei dem konkreten Ersatzkauf tatsächlich angefallene Umsatzsteuer addiert wird, sondern auch dann, wenn bei der fiktiven Abrechnung unter Verweis auf einen tatsächlich getätigten Ersatzkauf der im Gutachten ausgewiesene Brutto-Wiederbeschaffungswert zugrunde gelegt wird. Denn auch im letzteren Fall möchte der Geschädigte im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung den Umstand berücksichtigt wissen, dass er tatsächlich einen (umsatzsteuerpflichtigen) Ersatzkauf vorgenommen hat. Die in der vom Geschädigten gewählten fiktiven Schadensabrechnung enthaltene Umsatzsteuer auf den Wiederbeschaffungswert bleibt aber fiktiv, weil sie tatsächlich nicht angefallen ist, während das tatsächlich getätigte Ersatzbeschaffungsgeschäft, bei dem Umsatzsteuer angefallen ist, vom Geschädigten nicht abgerechnet wird.

 

Der Revisionserwiderung ist darin Recht zu geben, dass in früheren Senatsurteilen der Ersatz der Umsatzsteuer beim Kauf einer gleichwertigen Ersatzsache von privat mit der Begründung versagt wurde, dass keine Umsatzsteuer angefallen sei, so dass sie „in diesem Fall auch im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung nicht ersatzfähig“ sei. Darüber, ob sie, wäre sie bei einer Ersatzbeschaffung angefallen, auch im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung ersatzfähig wäre, hatte der Senat allerdings in den genannten Entscheidungen nicht zu befinden. Dies hat der Senat nunmehr mit Urteil vom 13. September 2016 - VI ZR 654/15 (VersR 2017, 115) verneint, und zwar entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung unabhängig von dem Umstand, dass der Geschädigte in dem dort zugrunde liegenden Fall vorsteuerabzugsberechtigt war (aaO Rn. 17: „Unabhängig hiervon“). An dieser Auffassung hält der Senat fest.

 

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird der Geschädigte durch das Verbot, in die fiktive Schadensabrechnung den Brutto-Wiederbeschaffungswert einzubeziehen, dann nicht schlechter gestellt, wenn - wie vorliegend - die fiktiven Ersatzbeschaffungskosten (bei Zugrundelegung des NettoWiederbeschaffungswertes) die Bruttokosten des tatsächlich erfolgten, aber nicht abgerechneten Ersatzbeschaffungsgeschäfts übersteigen. Überstiegen - wie hier nicht - die konkreten Kosten des tatsächlich getätigten Ersatzgeschäfts einschließlich der Nebenkosten wie tatsächlich angefallener Umsatzsteuer den aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag, bliebe es dem Geschädigten - im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung - im Übrigen unbenommen, zu einer konkreten Berechnung auf der Grundlage der tatsächlich vorgenommenen Ersatzbeschaffung überzugehen (Senatsurteil vom 13. September 2016 - VI ZR 654/15, VersR 2017, 115 Rn. 18 mwN).

 

2. Das Berufungsurteil war aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Zur Ermittlung des vom BruttoWiederbeschaffungswert in Abzug zu bringenden Umsatzsteueranteils wird auf die Senatsurteile vom 13. September 2016 - VI ZR 654/15 (VersR 2017, 115 Rn. 13) und vom 9. Mai 2006 - VI ZR 225/05 (NJW 2006, 2181 Rn. 7) verwiesen. Danach ist vom Tatrichter im Rahmen der Schadensschätzung (§ 287 ZPO) zu klären, ob solche Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach § 10 UStG regelbesteuert oder nach § 25 a UStG differenzbesteuert oder von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden.