Verstößt der "Wächter"-Modus bei Tesla gegen den Datenschutz?

Im Nürnberger Land hat ein Junge kürzlich mit seinem Fahrrad einen Tesla beschädigt. Der Tesla-Besitzer konnte mithilfe des eingeschalteten sog. "Sentry-Mode" seines Teslas die Identität des Jungen feststellen. 

 

Rechtsanwältin Carolin Rogoz hat in einem Interview mit der Hersbrucker Zeitung Fragen zum Thema Datenschutz im Zusammenhang mit dem sog. Sentry-Mode der Tesla-Fahrzeugen beantwortet. Dabei ging es insbesondere darum, ob Tesla-Fahrer mit Bußgeldern rechnen müssen, wenn sie den Sentry-Mode nicht ausschalten.  

 

> Das Interview können Sie ab heute auf der Seite der Hersbrucker Zeitung lesen.

Übrigens: Zu den sog. Dash-Cams hatte der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil  vom 15.05.2018 (Az.: VI ZR 233/17) klargestellt, dass diese zwar gegen die Datenschutzgesetze verstoßen. Allerdings können Aufnahmen nichtsdestotrotz in Gerichtsprozessen verwertet werden. 

 

Die juristisch sehr interessante Begründung des BGH lautet auszugsweise wie folgt:

 

Die Videoaufzeichnung mittels einer Dashcam, auch während der Fahrt, unterliegt dem Regelungsregime des Bundesdatenschutzgesetzes. Es kann offenbleiben, ob sie an § 6 b I 1 Nr. 3 oder § 28 I Nr. 2 BDSG zu messen ist (vgl. Haustein, DSRITB 2016, 43 [50]), da die Voraussetzungen der genannten Erlaubnistatbestände jeweils nicht erfüllt sind; jedenfalls eine permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke des Kl. ist zur Wahrnehmung seiner Interessen im Sinne beider Normen nicht erforderlich und deshalb gem. § 4 I BDSG nicht zulässig.

 

aa) Nach § 1 II Nr. 3 BDSG gilt dieses Gesetz für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch nicht-öffentliche Stellen, soweit sie die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeiten, nutzen oder dafür erheben oder die Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeiten, nutzen oder dafür erheben. Automatisierte Verarbeitung wird in § 3 II BDSG als Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen bezeichnet. Nichtöffentliche Stellen sind gem. § 2 IV 1 BDSG auch natürliche Personen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

21Die Aufnahmen der Dashcam im Streitfall enthalten personenbezogene Daten iSd § 3 I BDSG, also Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. Die vom Kl. gespeicherten Aufnahmen sind als Einzelangaben über sachliche Verhältnisse anzusehen, da sie Aufschluss darüber geben, dass es an einem bestimmten Ort zu einer Kollision des Kraftfahrzeugs, dessen Halter der Bekl. zu 1 ist, und des klägerischen Kraftfahrzeugs gekommen ist. Diese sachlichen Verhältnisse sind solche des Bekl. zu 1, denn er war Halter des Kraftfahrzeugs und über das aufgenommene Kennzeichen über eine Halteranfrage zu ermitteln. Für die Bestimmbarkeit genügt eine indirekte Identifizierbarkeit (vgl. Senat, NJW 2017, 2416 = VersR 2017, 955 Rn. 24 ff.; EuGH, ECLI:EU:C:2016:779 = NJW 2016, 3579 – Breyer; OLG Celle, NStZ 2018, 293 = DAR 2018, 35 [38]; BeckOK DatenschutzR/Schild, 1.2.2018, § 3 BDSG Rn. 19; BVerwG, NVwZ 2015, 906 [907]).

 

Gemäß § 1 II Nr. 3 BDSG findet das Bundesdatenschutzgesetz auch für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch nicht-öffentliche Stellen Anwendung, soweit diese Stellen die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen erheben und die Tätigkeit nicht ausschließlich für persönliche oder familiäre Zwecke erfolgt. Da diese Norm richtlinienkonform auszulegen ist (vgl. zur Umsetzung der RL 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in § 1 BDSG BT-Drs. 14/4329, 31), ist mit der Entscheidung des EuGH in der Sache Ryneš (EuGH, ECLI:EU:C:2014:2428 = NJW 2015, 463 = ZD 2015, 77 Rn. 33) geklärt, dass eine Videoüberwachung, die sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten auf diese Weise verarbeitet, nicht als eine ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit angesehen werden kann. Nach dieser Entscheidung stellt eine Überwachung mittels einer Videoaufzeichnung auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung zudem eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten dar (vgl. EuGH, ECLI:EU:C:2016:779 = NJW 2016, 3579 Rn. 25 – Breyer).

 

bb) Der Senat braucht im Ergebnis nicht zu entscheiden, ob sich eine Befugnis zur mobilen Videoaufzeichnung mittels Dashcam aus § 6 b I BDSG oder aus § 28 I Nr. 2 BDSG ergeben kann.

24Beide Erlaubnissätze kommen grundsätzlich in Betracht. Bei den Straßen, die vom Kl. befahren wurden, handelt es sich um öffentlich zugängliche Räume iSv § 6 b BDSG. Die Dashcam stellt eine optisch-elektronische Einrichtung dar. Vieles spricht dafür, dass § 6 b BDSG nicht nur die Videoüberwachung mit ortsfesten Kameras regelt (vgl. die Darstellung unter II 1 a; für diese Auffassung OLG Stuttgart, NJW 2016, 2280 Rn. 12 mwN; VG Göttingen, NJW 2017, 1336 [1338]; BeckOK DatenschutzR/Brink, 1.11.2017, § 6 b BDSG Rn. 25; Schaffland/Holthaus in Schaffland/Wiltfang, § 6 b BDSG Rn. 4; Scholz in Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 6 b Rn. 36 ff.; Becker in Plath, § 6 b Rn. 12; dagegen AG Nienburg, CR 2015, 400; Atzert/Franck, RDV 2014, 136; Gola/Klug/Körffer in Gola/Schomerus, § 6 b Rn. 12). Dies kann jedoch offen bleiben. Bestimmt sich die Zulässigkeit nicht nach § 6 b BDSG, ist § 28 I Nr. 1 BDSG heranzuziehen (Atzert/Franck, RDV 2014, 136 [138]; Klann, DAR 2014, 451 [453]; AG Nienburg, CR 2015, 400 [401]). Bei der Aufzeichnung zur Sicherung von Beweismitteln für den Fall eines Verkehrsunfalls handelt es sich um eigene Geschäftszwecke im Sinne dieser Norm. Denn darunter werden alle Zwecke einer nicht-öffentlichen Stelle verstanden, die sich nicht ausschließlich im persönlichen oder familiären Bereich iSd § 1 II Nr. 3 BDSG bewegen (vgl. BeckOK DatenschutzR/Bäcker, 1.2.2018, § 4 BDSG Rn. 41; BeckOK DatenschutzR/Wolff, 1.8.2015, § 28 BDSG Rn. 10; Klann, DAR 2014, 451 [453]; VGH München, ZD 2015, 324 Rn. 27; EuGH, ECLI:EU:C:2003:596 = EuZW 2004, 245 Rn. 46 f. – Lindqvist; EuGH, ECLI:EU:C:2014:2428 = NJW 2015, 463 = ZD 2015, 77 Rn. 33 – Ryneš).

 

Beide Erlaubnissätze verlangen die Erforderlichkeit der Datenerhebung im Sinne eines zumutbaren mildesten Mittels (vgl. Taeger, ZD 2013, 571 [576]); denn es ist technisch möglich, die dauerhafte Aufzeichnung zu vermeiden und lediglich eine kurzzeitige anlassbezogene Speicherung im Zusammenhang mit einem Unfallgeschehen vorzunehmen (vgl. zu den technischen Möglichkeiten VGH Wien, Urt. v. 12.9.2016 – Ro 2015/04/0011-7, MuR 2016, 261; Hofmann, DSRITB 2016, 61 [66 f.]). Dass die vorhandenen technischen Möglichkeiten, die Persönlichkeitsrechte Dritter zu schützen („Privacy by design“), hier nicht genutzt wurden, führt dazu, dass die schutzwürdigen Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer mit ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Streitfall die genannten Interessen des Kl. überwiegen (vgl. zur Interpretation von § 3 a BDSG – Datenvermeidung und Datensparsamkeit – als Ausprägung des Übermaßverbots Scholz in Simitis, § 3 a Rn. 19; Lohse, VersR 2016, 953 [960]; Bretthauer, Intelligente Videoüberwachung, 2017, 128 ff. mwN; BT-Drs. 14/4329, 33).

 

Nach den Feststellungen des BerGer. nimmt die im Fahrzeug des Kl. installierte Kamera regelmäßig über einen Zeitraum von ca. vier Stunden ohne konkreten Anlass auf, nicht nur für den Fall eines Unfalls. Die vorgelegte 40 Sekunden lange Aufnahme ist Teil einer davor begonnenen Aufzeichnung. Durch eine solche permanente Aufzeichnung wird regelmäßig eine Vielzahl von Personen in kurzer Zeit in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen. Es wird festgehalten, wann ein Betroffener sich an einem bestimmten Ort, mit welchem Verkehrsmittel, gegebenenfalls in welcher Begleitung oder in welcher Verfassung aufhält. Eine weite Verbreitung dieser Aufzeichnungsmöglichkeiten durch Dashcams im Straßenverkehr könnte bei entsprechender technischer Gestaltung bis hin zur Erstellung von Bewegungsprofilen zahlreicher Verkehrsteilnehmer ausgebaut werden und den Aufenthalt in der Öffentlichkeit unter einen dauernden Überwachungsdruck stellen, insbesondere durch die Speicherung, Zusammenführung und bleibende Verfügbarkeit der Aufnahmen. Diese Daten werden aber für eine Unfallrekonstruktion größtenteils nicht benötigt. Im Hinblick auf die angesprochenen technischen Möglichkeiten der Beschränkung des Eingriffs in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Verkehrsteilnehmer durch kurzzeitige, anlassbezogene Aufzeichnungen, die erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeugs durch einen Bewegungssensor ausgelöst werden, gegebenenfalls durch Verpixelung von Personen, automatisiertes und dem Eingriff des Verwenders entzogenes Löschen (vgl. Bretthauer, 226 ff.) kommt eine Güterabwägung zugunsten des Dashcambetreibers überhaupt nur in Betracht, wenn seine Kamera solche (Daten)Schutzmechanismen aufweist.

Welche Voraussetzungen zu erfüllen wären, muss hier nicht entschieden werden und ist im Einzelfall von den jeweiligen tatrichterlich festzustellenden Umständen abhängig (vgl. Beispiele für eine Technikgestaltung bei Hofmann, DSRITB 2016, 61 [66]; für die zukünftige Rechtslage Art. 25 II DS-GVO „Datenschutz durch Technikgestaltung“; dazu Lachenmann, ZD 2017, 407 [409]; Mienert/Gipp, ZD 2017, 514 [516]). Da hier nach den Feststellungen des BerGer. derartige technisch mögliche Einschränkungen zur Verkürzung der Aufzeichnungsdauer und Verknüpfung der Speicherung mit einem konkreten Aufzeichnungsanlass nicht gegeben waren, ist eine weitere Prüfung nicht erforderlich und für den Streitfall von einer Unzulässigkeit der Aufnahmen auszugehen.

 

2. Die Revision beanstandet dennoch zu Recht, dass das BerGer. die als Beweismittel vorgelegte Videoaufzeichnung nicht gem. § 371 I ZPO in Augenschein genommen hat.

 

a) Die Verwertung unzulässig erlangter Beweismittel ist in der ZPO nicht ausdrücklich geregelt; diese kennt selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein – ausdrückliches – prozessuales Verwendungs- oder Verwertungsverbot. Auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention (nachfolgend EMRK) sind keine entsprechenden Regeln enthalten. Art. 6 EMRK garantiert nur allgemein das Recht auf ein faires Verfahren (vgl. Baumgärtel/Laumen/Prütting, HdB der Beweislast, 3. Aufl., 104; EGMR, NJW-RR 2018, 294 [298] mwN). Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes konkretisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel im Zivilprozess vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (vgl. BAGE 156, 370 = NJW 2017, 843 Rn. 22).

 

Die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot (BVerfGK 18, 193 = NJW 2011, 2417 Rn. 45; NJW 2011, 2783 Rn. 12 jew. mwN). Ob ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners durch die Verwertung von Beweismitteln gerechtfertigt ist, richtet sich nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen dem gegen die Verwertung streitenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht, hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung, auf der einen und den für die Verwertung sprechenden rechtlich geschützten Interessen auf der anderen Seite (BVerfGE 106, 28 [49] = NJW 2002, 3619). Das Grundgesetz – insbesondere das unter anderem in Art. 20 III GG verankerte Rechtsstaatsprinzip – misst dem Erfordernis einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung bei. Im Zivilprozess, in dem über Recht und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebieten auch der in § 286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 I GG (vgl. BVerfGE 106, 28 [49] = NJW 2002, 3619). Aus ihnen folgt die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen.

 

Zur Frage der Verwertbarkeit von Zeugenaussagen im Zivilverfahren, die auf dem rechtswidrigen Mithören von Telefongesprächen Dritter beruhen, hat das BVerfG entschieden, dass allein das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege nicht ausreicht, um im Rahmen der Abwägung stets von einem gleichen oder gar höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zukommt. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist. Im Zivilprozess kann es Situationen geben, in denen dem Interesse an der Beweiserhebung – über das stets bestehende „schlichte“ Beweisinteresse hinaus – besondere Bedeutung für die Rechtsverwirklichung einer Partei zukommt. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung werde dies etwa in Fällen angenommen, in denen sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befinde. Demgegenüber reiche allein das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus (vgl. BVerfGE 106, 28 [50] = NJW 2002, 3619; BVerfGE 117, 202 [241] = NJW 2007, 753; vgl. auch BAGE 156, 370 = NJW 2017, 843 Rn. 24).

 

Nach der damit in Einklang stehenden Rechtsprechung des BGH sind rechtswidrig geschaffene oder erlangte Beweismittel im Zivilprozess nicht schlechthin unverwertbar. Über die Frage der Verwertbarkeit ist vielmehr in derartigen Fällen aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden (vgl. Senat, BGHZ 153, 165 = NJW 2003, 1123 zur Zeugenvernehmung der Verhörsperson im Zivilprozess nach unterlassener Beschuldigtenbelehrung im Strafprozess; BGH, NJW 1998, 155 = VersR 1997, 1422 zur Verwertung einer ohne Wissen des Bekl. gefertigten Tonaufzeichnung; BGH, NJW 1982, 277 = VersR 1982, 191 [192] zur Verwertung einer heimlich angefertigten Tonbandaufnahme; BGH, NJW 1994, 2289 [2292]; NJW 2003, 1727 zur Vernehmung eines Zeugen zu einem heimlich über eine Mithöreinrichtung belauschten Telefonat; vgl. auch BGHZ 162, 1 [6] = NJW 2005, 497 zur Verwertbarkeit einer heimlich eingeholten DNA-Analyse; BGH, NJW 2013, 2668 = FamRZ 2013, 1387 Rn. 16 zur Erstellung eines umfassenden personenbezogenen Bewegungsprofils mittels eines GPS-Geräts; BGH, NJW-RR 2010, 1289 = VersR 2011, 125 Rn. 28 zur Vernehmung eines Zeugen zu einem ohne Einwilligung des Gesprächspartners mitgehörten Telefonat).

Allein das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reichen nicht, um im Rahmen der Abwägung von einem höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem Recht am gesprochenen Wort zukommt. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist (vgl. Senat, NJW 1988, 1016 = VersR 1988, 379; BGHZ 27, 284 = NJW 1958, 1344 [1345]; NJW 1982, 277; BGH, NJW 2003, 1727 [1728]; BGHZ 162, 1 [6] = NJW 2005, 497; NJW-RR 2010, 1289 = VersR 2011, 125 Rn. 28; dies verallgemeinernd BGH, NJW 2013, 2668 = FamRZ 2013, 1387 Rn. 14).

 

b) Die Frage, ob der Inaugenscheinnahme einer unzulässigen Videoaufzeichnung mittels einer Dashcam als Beweismittel zur Aufklärung eines Unfallgeschehens im Straßenverkehr ein Beweisverwertungsverbot entgegensteht, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden.

 

aa) Die Auffassungen der Instanzgerichte sind uneinheitlich. Ausgehend von den obigen Grundsätzen werden die Interessen unterschiedlich gewichtet. Die Überwachung müsse das einzig verbleibende Mittel darstellen. Umfassende, als heimlich bezeichenbare Aufzeichnungen des gesamten Verkehrsgeschehens stellten einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der übrigen Verkehrsteilnehmer dar. Wolle man der bloßen Möglichkeit, dass eine Beweisführung erforderlich werden könne, den Vorrang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung einräumen, würde innerhalb kürzester Zeit jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass mit sich führen, um damit zur Dokumentation und zur Durchsetzung von möglichen Schadensersatzansprüchen jedermann zu filmen und zu überwachen (LG Rottweil, Urt. v. 20.2.2017 – 1 O 104/16, BeckRS 2017, 119419; so auch LG Heilbronn, NJW-RR 2015, 1019 = CR 2015, 393). Mit einer dauerhaften und flächendeckenden Überwachung des öffentlichen Verkehrs würde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung völlig ausgehöhlt. Dem müsse durch ein Beweiserhebungsverbot Einhalt geboten werden, sofern es nicht um wesentlich bedeutendere Rechtsgüter als den bloßen Eigentumsschutz gehe (LG Memmingen, ZD 2016, 179 = CR 2016, 240).

 

Die überwiegende Zahl der (wenigen) Entscheidungen lehnt dagegen im Ergebnis ein Beweisverwertungsverbot ab. Als wesentliches Abwägungskriterium wird angesehen, dass nur die Verwertung der Videoaufzeichnung zu einem materiell richtigen Ergebnis führe (AG Nürnberg, MDR 2015, 977 = BeckRS 2015, 14846). Dem persönlichkeitsrechtlichen Interesse, das ohnehin in der Öffentlichkeit stattfindende Verkehrsverhalten nicht, auch nicht für einen sehr kurzen Zeitraum, zu dokumentieren, sei kein hohes Gewicht beizumessen. Dagegen wiege das Interesse des Unfallbeteiligten an diesem Beweismittel für seine Rechtsverfolgung schwer, insbesondere wenn ihm keine Zeugen für das Fahrverhalten des Unfallgegners zur Verfügung stünden. Bei einem Verwertungsverbot könne ein Unfallbeteiligter den wahrheitswidrigen Sachvortrag des Unfallgegners nicht widerlegen. Ob bei der Güterabwägung zur Verwertung im Zivilprozess überhaupt das allgemeine Interesse Dritter einzustellen sei, nicht dem Risiko ausgesetzt zu werden, ohne Anlass aufgezeichnet zu werden, sei zweifelhaft. Die Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Aufzeichnungen beträfen vor allem solche Teile der Aufzeichnung, die gar nicht verwertet werden sollten. Das Zivilprozessrecht habe aber nicht die Aufgabe, sonstiges Verhalten von Prozessbeteiligten, welches nicht die Beschaffung des konkret zu verwertenden Beweises selbst – hier also das Filmen und Speichern der unmittelbaren Unfallsituation – darstelle, zu sanktionieren. Selbst wenn man die Interessen unfallbeteiligter Dritter miteinbeziehe, sei es angesichts der sehr geringen und eher theoretischen Betroffenheit unbeteiligter Dritter bei der Interessenabwägung im Rahmen der zivilprozessualen Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen nicht zu rechtfertigen, einer andernfalls in Beweisnot befindlichen Partei den Rückgriff auf dieses Beweismittel mit dem Argument einer abstrakten Überwachungsbefürchtung Dritter zu verwehren (OLG Nürnberg, NJW 2017, 3597 Rn. 48, 58). Es könne nicht Aufgabe der Ziviljustiz sein, öffentlich-rechtliche Verbote durch Beweisverwertungsverbote zu flankieren, nur um keinen Anreiz für die Verwendung von Dashcams zu setzen (AG Bremerhaven, Urt. v. 9.11.2016 – 52 C 132/16, BeckRS 2016, 119257).

 

Ein überwiegendes Interesse an der Zulassung des Beweismittels wird auch angenommen, wenn der Aufzeichnung lediglich das Fahrverhalten des Aufzeichnenden zu entnehmen ist (LG Nürnberg-Fürth, VRR 2016, Nr. 9, 11), oder sie lediglich Fahrzeug und Kennzeichen, jedoch keine Personen oder Gesichter erkennen lasse und die Kamera nur einen sehr begrenzten Verkehrsbereich über den begrenzten Zeitraum von knapp zwei Minuten erfasse (AG Kassel, ZD 2017, 534 [535] = NZV 2017, 490). Der Fahrer eines Autos müsse zwingend damit rechnen, dass seine Fahrweise von anderen beobachtet werde. Eine systematische Erfassung anderer Verkehrsteilnehmer zur Erstellung von Bewegungsprofilen finde nicht statt, denn die Filmaufnahmen würden, soweit es nicht zu einem Unfall komme, immer wieder überschrieben. (LG Landshut, ZD 2016, 187 = MDR 2016, 792 [793]). Durch eine anlassbezogene Aufzeichnung werde den berechtigten Interessen Dritter per se Rechnung getragen. Durch ein Fehlverhalten eines Verkehrsteilnehmers im Straßenverkehr werde das schutzwürdige Interesse einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern berührt. Spätestens bei der Verletzung des Körpers bestehe auch bei diesen ein erhebliches Interesse an der Darlegung des tatsächlichen Ablaufs, die durch eine entsprechende Aufzeichnung erfolgen könne (vgl. LG Frankenthal, NJOZ 2016, 1195 [1199]). Die Verwertbarkeit wird auch dann angenommen, wenn durch eine technische Gestaltung – dauerhafte Speicherung von nur 30 Sekunden, anlassbezogene Speicherung, regelmäßiges schnelles Überschreiben der sonstigen Aufnahmen – gewährleistet werde, dass der Eingriff in die Grundrechte der Aufgezeichneten möglichst mild ausfalle (LG Traunstein, ZD 2017, 239 [240]; ähnl. LG München I, ZD 2017, 36 [37]).

 

bb) Die Frage, ob Videoaufnahmen einer Dashcam im Zivilprozess einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, ist auch in der Literatur umstritten. Weder allgemeine Gesichtspunkte einer funktionierenden Zivilrechtspflege noch das Fehlen objektiver Beweismittel genügten für eine Beweisverwertung, wenn nicht weitere Aspekte mit dem Gewicht einer notwehrähnlichen Lage hinzuträten (vgl. Ernst, CR 2015, 620 [624]; Bachmeier, DAR 2014, 15 [19 ff.]; vgl. auch Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 [2078]). Eine notwehrähnliche Lage sei aber gegeben, wenn der Beweisgegner im Prozess im Vertrauen auf das Vorliegen eines Verwertungsverbots wider besseres Wissen einen unrichtigen Sachverhalt vortrage und damit möglicherweise einen versuchten Prozessbetrug begehe (vgl. Laumen, MDR 2016, 813). Die Verwertung von Dashcam-Aufnahmen sei in aller Regel rechtswidrig, die bloß abstrakte Gefahr rechtswidrigen Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer könne nicht ausreichen (so iErg. auch Beschl. der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich, Düsseldorfer Kreis v. 25./26.2.2014). Der anlasslose, gegen § 6 b BDSG verstoßende Betrieb von Dashcams sei ein rechtswidriger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der übrigen Verkehrsteilnehmer, solche Aufzeichnungen seien unverwertbar (vgl. Niehaus, NZV 2016, 551 [556]; so iErg. auch Froitzheim, NZV 2018, 109 [116]; Brenner, DAR 2014, 619 [625 f.], ähnl. Lohse, VersR 2016, 953 [963]). Die Kriterien des BAG zur Beweisverwertung von Videoaufzeichnungen – ein bestehender Verdacht strafbarer Handlungen, die fehlende Möglichkeit zur effektiven Kontrolle der Arbeitnehmer durch Vorgesetzte, das Fehlen eines milderen Mittels und ein räumlich abgrenzbar erfasster Bereich (vgl. nur BAGE 157, 69 = NJW 2017, 1193 Rn. 22 mwN) – könnten hierher übertragen werden (vgl. Lachenmann, ZD 2017, 407 [408 f.]; aA Thole, FS Prütting, 2018, 573 [583]).

 

Nach anderer Auffassung ist eine Verwertung von Dashcam-Aufnahmen zur Aufklärung eines Unfallgeschehens im Zivilprozess unbedenklich möglich (vgl. Kaiser, NJW 2016, 2790 [2791]; Klann, DAR 2013, 188 [191]; DAR 2014, 451 [455]; Atzert/Franck, RDV 2014, 136 [140]; Saenger, ZPO, 7. Aufl., § 286 Rn. 27; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 286 Rn. 15 c). Soweit aufgenommene Personen überhaupt identifizierbar seien, werde deren Verhalten im Straßenverkehr durch eine präventive Aufzeichnung der Verkehrssituation nicht beeinflusst. Ein Überwachungsdruck bestehe nicht. Ein gesteigertes Beweisinteresse werde durch eine Beweisnot begründet, wie sie typischerweise mit Unfallsituationen ohne Möglichkeit des Zugriffs auf neutrale Zeugen verbunden sei (vgl. Ahrens, MDR 2015, 926 [928]; Bäumerich, JuS 2016, 803 [807]). Auf die datenschutzrechtliche Beurteilung komme es nicht an (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 1.3.2018, § 284 Rn. 22.2). Bei unbeteiligten Personen, die als Passanten oder Teilnehmer am fließenden Verkehr mit auf das Bild gerieten, fehle es schon an einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Es handele sich nur um eine technikbedingte Miterfassung ohne Erkenntnisgewinn, der wegen der Anonymität der betreffenden Personen keine Eingriffsqualität zukomme. Dem Interesse des Beweisgegners an der Nichtoffenbarung seines Verkehrsverhaltens bzw. seiner Regelverletzung könne kein hoher Stellenwert beigemessen werden. Die Verwendung der Videoaufzeichnungen von Verkehrsvorgängen berühre nicht den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung. Schon die Verpflichtung zum Führen eines amtlichen Kennzeichens zeige, dass eine Identifizierung von Regelverletzern möglich sein solle. Der Beweisführer könne den Unfallhergang oftmals nicht anders beweisen, bei Fahrerflucht nicht einmal den Haftpflichtigen ermitteln. Der Beweiswert von Zeugenaussagen sei angesichts der Flüchtigkeit des Unfallgeschehens und der Gefahr von Rekonstruktions- und Solidarisierungstendenzen gering. Unfallanalytische Gutachten setzten verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehle. Ein solcher Beweisnotstand gehe über das schlichte Beweisinteresse hinaus. Es sei mit einer rechtsstaatlichen Prozessleitung nicht vereinbar, dem Beweispflichtigen die Verwertung einer vorhandenen Video-Aufzeichnung zu versagen, mit der er die Unwahrheit der gegnerischen Unfalldarstellung oder die Identität des geflohenen Unfallgegners belegen könne. Für die Verwertung der Aufnahme spreche das öffentliche Interesse an einer wirksamen, auf die Durchsetzung der materiellen Gerechtigkeit gerichteten Rechtspflege (vgl. Greger, NZV 2015, 114 [116 f.]). Das Datenschutzrecht oder die Persönlichkeitsrechte Dritter könnten für das Straf- und Bußgeldrecht sowie den zivilrechtlichen Rechtsschutz der Dritten eine Rolle spielen, nicht aber für die vorzunehmende Interessenabwägung (Zöller/Greger, § 286 Rn. 15 c; Thole, FS Prütting, 573 [584]).

 

Nach anderen Auffassungen, die das Konzept der „Privacy by Design“ aus dem Datenschutzrecht fruchtbar machen wollen, können Dashcam-Aufnahmen unter Berücksichtigung technischer Möglichkeiten, die das Gewicht der drohenden Grundrechtseingriffe reduzieren, im Zivilprozess verwertbar sein. Die Videoaufnahme eines Verkehrsunfalls sei das wirksamste Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts. Zur Aufklärung sei in der Regel nur eine überschaubare Zeitspanne vor der Kollision notwendig. Eine technische Lösung sei eine durchgehende Aufzeichnung einer Fahrt, bei der im Rahmen einer Ringspeicherung innerhalb von bestimmten Zeitabständen die alten gespeicherten Aufnahmen gelöscht würden; nur bei bestimmten Befehlen, wie beispielsweise dem Auslösen eines „emergency buttons“ oder dem Eingreifen des genannten „G-Sensors“ erfolge die Speicherung einer kurzen Sequenz, die nicht wieder überschrieben werde (vgl. Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 [1623 f.]; vgl. Froitzheim, NZV 2018, 109 [116]). Hier überwiege in der Regel das Interesse der anderen Unfallbeteiligten an der Aufklärung des Unfallgeschehens zum Schutze zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche den kurzfristigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Gegenseite (vgl. Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 [1627]; ähnl. Wirsching, NZV 2016, 13 [16]; Mienert/Gipp, ZD 2017, 514 [516]; Nugel, jurisPR-VerkR 4/2016 Anm. 2; jurisPK-Straßenverkehrsrecht/Freymann, Einl. – Grundlagen des Straßenverkehrsrechts, Rn. 97 [Stand 17.8.2016]; BeckOGK/Walter, 1.3.2018, § 7 StVG Rn. 254.1; für eine Beschränkung der Videosequenz auf sehr kurze Intervalle auch Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 286 Rn. 7; ähnl. auch Zimmermann, DSRITB 2016, 171 [183]; Laumen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 9. Aufl., § 284 Rn. 32; vgl. auch die Empfehlung des Arbeitskreises des 54. Deutschen Verkehrsgerichtstags, dargestellt ua von Born, NZV 2016, 114 [117]).

 

c) Der Senat folgt unter Berücksichtigung der dargelegten vom BVerfG und BGH entwickelten Grundsätze einer vermittelnden Lösung, die eine Güterabwägung im Einzelfall fordert und hier zu einem Überwiegen der Interessen des Kl. führt. Die erforderliche Abwägung kann der erkennende Senat selbst vornehmen, weil die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte feststehen (vgl. nur Senat, BGHZ 153, 165 [170] = NJW 2003, 1123).

40Auf der einen Seite stehen das Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, sein im Grundgesetz verankerter Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 I GG in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und an einer materiell richtigen Entscheidung nach freier Beweiswürdigung. Auf der anderen Seite steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners aus Art. 2 I iVm Art. 1 I GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegebenenfalls als Recht am eigenen Bild, sofern er auf der Aufnahme für Dritte erkennbar ist (vgl. Senat, BGHZ 207, 163 = NJW 2016, 1094 Rn. 31; BGH, NJW 2000, 2201 [2202]).

41aa) Eine Videoüberwachung mit Aufzeichnungsfunktion kann in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (vgl. Senat, NJW 2015, 776 Rn. 9; NJW 2015, 782 = AfP 2014, 534 Rn. 15; BGHZ 202, 242 = NJW 2015, 489 Rn. 26; BGHZ 198, 346 = NJW 2014, 768 Rn. 11; NJW 2014, 2276 Rn. 6; NJW 2010, 1533 = VersR 2010, 677 Rn. 11; vgl. BVerfGK 10, 330 = NVwZ 2007, 688 = NJW 2007, 2320 Ls.; BVerfG, NJW 2009, 3293; BAGE 156, 370 = NJW 2017, 843 Rn. 23 f.). Auch wenn der Einzelne sich in die Öffentlichkeit begibt, schützt das Recht der informationellen Selbstbestimmung dessen Interesse, dass die damit verbundenen personenbezogenen Informationen nicht im Zuge automatisierter Informationserhebung zur Speicherung mit der Möglichkeit der Weiterverwertung erfasst werden. So kommt es zu einem Eingriff in das Grundrecht, wenn ein erfasstes Kfz-Kennzeichen im Speicher festgehalten wird und gegebenenfalls Grundlage weiterer Maßnahmen werden kann (vgl. BVerfGE 120, 378 [399] = NJW 2008, 1505).

42Indem hier durch die vorgelegte Videoaufnahme das Fahrzeug des Bekl. zu 1 mit dessen Kraftfahrzeugkennzeichen in und kurz nach der Unfallsituation aufgenommen und diese Sequenz abgespeichert worden ist, liegt nach diesen Maßstäben ein Eingriff in dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Es handelt sich auch nicht um einen Fall, in dem Daten ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, dann aber ohne weiteren Erkenntnisgewinn, anonym und spurlos wieder gelöscht werden, so dass aus diesem Grund die Eingriffsqualität verneint werden könnte (vgl. BVerfGE 115, 320 [343] = NJW 2006, 1939; BVerfGE 120, 378 [399] = NJW 2008, 1505; BVerfG, NJW 2009, 3293 Rn. 16). Dieser Eingriff wird durch die Nutzung als Beweismittel fortgesetzt.

43bb) Der Eingriff ist jedoch nicht rechtswidrig, da die schutzwürdigen Belange des Kl. das Schutzinteresse der Bekl. überwiegen.

 

In der Rechtsprechung sind wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts, dessen Reichweite nicht absolut feststeht, Abwägungskriterien unter anderem nach Maßgabe einer abgestuften Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht, herausgearbeitet worden. Danach genießen besonders hohen Schutz die so genannten sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören. Allerdings hat der Einzelne keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über „seine“ Daten; denn er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft. In dieser stellt die Information, auch soweit sie personenbezogen ist, einen Teil der sozialen Realität dar, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Vielmehr ist über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu entscheiden (vgl. Senat, BGHZ 181, 328 = NJW 2009, 2888 Rn. 31).

 

(1) Bei der gebotenen Abwägung ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Bekl. zu 1 lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen ist. Aufgezeichnet wurde ein Unfallgeschehen unter Beteiligung seines Kraftfahrzeugs. Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den er sich freiwillig begeben hat. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt (vgl. BVerfGK 18, 444 = NJW 2011, 2783 Rn. 17; vgl. BGH, NJW 1994, 2289 [2292 f.]). Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind.

 

Auch der EGMR hat die Erstellung von Videoaufnahmen eines Mopedfahrers im Straßenverkehr und ihre Benutzung als Beweismittel vor Gericht nicht als Verletzung von Art. 8 EMRK eingeordnet (EGMR, NJW 2015, 1079).

 

(2) Rechnung zu tragen ist zudem der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Wenn überhaupt Zeugen vorhanden sind, ist der Beweiswert ihrer Aussagen angesichts der Flüchtigkeit des Unfallgeschehens und der Gefahr von Rekonstruktions- und Solidarisierungstendenzen regelmäßig gering; unfallanalytische Gutachten setzen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt (vgl. dazu nur Greger, NZV 2015, 114 [116]; Bachmeier, DAR 2014, 15 [17]).

48Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Aufnahmen auch Feststellungen zum Fahrverhalten des Aufzeichnenden erlauben und grundsätzlich auch zugunsten des Beweisgegners sprechen und verwertet werden können (vgl. AG München, NJW-RR 2014, 413).

49(3) Im Vergleich zu den höchstrichterlichen Entscheidungen zu Beweisverwertungsverboten bei heimlichem Belauschen von Gesprächen bestehen maßgebliche Unterschiede im Tatsächlichen. Im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht hat es eine andere grundrechtliche Dimension, in das Recht am gesprochenen Wort durch heimliches Belauschen einzugreifen, als eine Kollision im öffentlichen Straßenverkehr aufzuzeichnen, die eine Identifizierung des Unfallgegners, zumindest des Halters des beteiligten Fahrzeugs, und eine weitgehende Rekonstruktion seines Verhaltens im Verkehr ermöglicht.

 

Das Recht am gesprochenen Wort gewährleistet die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen (vgl. BVerfGE 54, 148 [155] = NJW 1980, 2070). Der Schutz umfasst die Möglichkeit, sich in der Kommunikation nach eigener Einschätzung situationsangemessen zu verhalten und sich auf die jeweiligen Kommunikationspartner einzustellen. Zum Grundrecht gehört die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Das Selbstbestimmungsrecht erstreckt sich also auf die Auswahl der Personen, die Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen. Dieses Selbstbestimmungsrecht findet einen Ausdruck in der Befugnis des Menschen, selbst und allein zu entscheiden, ob sein Wort auf einen Tonträger aufgenommen und damit möglicherweise Dritten zugänglich werden soll, womit Wort und Stimme von dem Kommunikationsteilnehmer losgelöst und in einer für Dritte verfügbaren Gestalt verselbstständigt werden. Das Grundgesetz schützt deshalb davor, dass Gespräche heimlich aufgenommen und ohne Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet werden. Das Grundrecht schützt jedoch nicht nur vor einer solchen „Verdinglichung“ des Wortes, sondern auch vor anderen Verletzungen des Rechts zu bestimmen, welcher Person der Kommunikationsinhalt zugänglich sein soll. Schutz besteht jedenfalls auch davor, dass ein Kommunikationspartner ohne Kenntnis des anderen eine dritte Person als Zuhörer in das Gespräch mit einbezieht oder die unmittelbare Kommunikationsteilhabe durch den Dritten gestattet. Verhält ein Sprecher sich allerdings so, dass seine Worte von unbestimmt vielen Menschen ohne besondere Bemühungen gehört werden können, hat er sich das Zuhören Dritter selbst zuzuschreiben. Er ist gegen deren Kommunikationsteilhabe nicht geschützt, wenn er etwa von ihm unerwünschte Hörer in seiner Nähe übersieht oder die Lautstärke seiner Äußerung falsch einschätzt. Entscheidend ist, ob der Sprecher auf Grund der Rahmenbedingungen begründetermaßen erwarten darf, nicht von Dritten gehört zu werden (vgl. BVerfGE 106, 28 [40] = NJW 2002, 3619).

 

Diese Unterscheidung erhellt, dass eine andere, geringere Gewichtung des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfolgen muss, wenn es sich um die Kenntnisnahme von Verhalten handelt, das ohnehin in der Öffentlichkeit, hier auf öffentlichen Straßen stattfindet (vgl. BVerfG, NJW 2010, 2717 Rn. 14). Zwar findet hier eine „Verdinglichung“ von Bildern statt und es besteht ein qualitativer Unterschied zwischen menschlichem Beobachten und dauerhafter technischer Aufzeichnung. Doch ist der Betroffene durch sein Wissen, in der Öffentlichkeit zu agieren, zumindest schon darauf vorbereitet, dass die Kenntnis von seinem Handeln einem von ihm nicht bestimmbaren Personenkreis ermöglicht wird, und kann sich darauf einrichten.

 

(4) Der mögliche Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, Radfahrer oder anderer Kraftfahrer bzw. Insassen führt nicht zu einer anderen Gewichtung. Denn ihrem Schutz ist vor allem durch die Regelungen des Datenschutzrechts selbst Rechnung zu tragen, die – wie dargelegt – gerade nicht auf ein Beweisverwertungsverbot abzielen. Zwar besteht durch permanent und anlasslos aufzeichnende Videokameras in zahlreichen Privatfahrzeugen für das informationelle Selbstbestimmungsrecht der übrigen Verkehrsteilnehmer ein Gefährdungspotenzial (vgl. BVerfGK 10, 330 = NVwZ 2007, 688 [690] = NJW 2007, 2320 Ls.; Bachmeier, DAR 2014, 15 [19]), da durch die bestehenden Möglichkeiten von Gesichtserkennungssoftware, Weiterleitung und Zusammenführung der Daten zahlreicher Aufzeichnungsgeräte nicht auszuschließen ist, dass letztlich Bewegungsprofile individueller Personen erstellt werden könnten. Durch die Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials werden die beobachteten Lebensvorgänge technisch fixiert und können in der Folge abgerufen, aufbereitet und ausgewertet sowie mit anderen Daten verknüpft werden. So kann eine Vielzahl von Informationen über bestimmte identifizierbare Betroffene gewonnen werden, die sich im Extremfall zu Profilen des Verhaltens der betroffenen Personen in dem überwachten Raum verdichten lassen (vgl. BVerfGK 10, 330 = NVwZ 2007, 688 [690] = NJW 2007, 2320 Ls.). Dem ist jedoch nicht durch Beweisverwertungsverbote im Zivilprozess zu begegnen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Möglichkeit einer Beweisverwertung Anreize für die Nutzung von Dashcams setzen kann, doch ist ihr Gefahrenpotenzial nicht im Zivilprozess einzugrenzen oder (zusätzlich) zu sanktionieren (vgl. Dauster/Braun, NJW 2000, 313 [318]; Zöller/Greger, § 286 Rn. 15 c; Kiethe, MDR 2005, 965 [969]; Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., vor § 286 Rn. 22; Thole, FS Prütting, 573 [583]; aA Baumgärtel, FS Klug, 1983, 477 [484]), auch wenn sich der Senat generalpräventiven Erwägungen nicht immer gänzlich verschlossen hat (vgl. Senat, NJW 1982, 277 [278]; NJW 1970, 1848 [1849]). Deshalb ist es für die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels nicht von Bedeutung, dass der Teil der Aufzeichnung, der nicht im Prozess vorgelegt worden oder für die Unfallrekonstruktion nicht erheblich ist, möglicherweise zu Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dritter Personen führt (aA Froitzheim, NZV 2018, 109 [114 ff.]).

 

(5) Einem rechtsstaatswidrigen planmäßigen Unterlaufen des Beweiserhebungsverbotes (vgl. BVerfGK 18, 444 = NJW 2011, 2783 Rn. 18) steht entgegen, dass Verstöße gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen gem. § 43 II BDSG mit Geldbußen geahndet werden können und vorsätzliche Handlungen gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht nach § 44 I BDSG mit Freiheitsstrafe bedroht sind. Im Übrigen kann die Aufsichtsbehörde im Rahmen des § 38 V BDSG mit Maßnahmen zur Beseitigung von Datenschutzverstößen steuernd eingreifen. Allerdings zeigen diese Regelungen bei einem Vergleich mit § 201 I Nr. 1 StGB auch, dass die Rechtsordnung dem Schutz dieser Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein geringeres Gewicht beimisst als dem Schutz des gesprochenen Wortes.

 

(6) Dem hier nicht so schwer wiegenden Eingriff in das Recht des Beweisgegners steht nicht nur ein „schlichtes“ Beweisinteresse gegenüber. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, streiten nicht nur das grundrechtsähnliche Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs und das Rechtsstaatsprinzip für die Interessen des Unfallgeschädigten. Jedes Beweisverwertungsverbot beeinträchtigt nicht nur die im Rahmen der ZPO grundsätzlich eröffnete Möglichkeit der Wahrheitserforschung und damit die Durchsetzung der Gerechtigkeit und die Gewährleistung einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege, sondern auch durch Art. 14 I GG geschützte Rechte der auf Durchsetzung ihres Anspruchs klagenden Parteien (vgl. Senat, BGHZ 153, 165 [170 f.] = NJW 2003, 1123).

 

Es besteht auch ein individuelles Interesse der Partei eines Zivilprozesses an der Findung der materiellen Wahrheit bis hin zur Abwehr eines möglichen Prozessbetruges (vgl. BGH, NJW 2013, 2668 = FamRZ 2013, 1387 Rn. 24, dort offen gelassen; Ahrens in Wieczorek/Schütze, Vorb. § 286 Rn. 31 f.; Laumen in Prütting/Gehrlein, § 284 Rn. 27).

56(7) Schließlich ist im Unfallhaftpflichtprozess zu beachten, dass das Gesetz selbst den Beweisinteressen des Unfallgeschädigten durch die Regelung des § 142 StGB, der auf § 22 des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (KFG) vom 3.5.1909 zurückgeht (RGBl. v. 12.5.1909, 437 ff.; vgl. nur Zopfs, ZIS 2016, 426 [427]), ein besonderes Gewicht zugewiesen hat. Danach muss ein Unfallbeteiligter die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und die Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglichen. Nach § 34 StVO sind auf Verlangen der eigene Name und die eigene Anschrift anzugeben, der Führerschein und der Fahrzeugschein vorzuweisen sowie Angaben über die Haftpflichtversicherung zu machen. § 142 StGB hat den Schutz von privaten Vermögensinteressen zum Inhalt, nämlich das Interesse der Geschädigten und Unfallbeteiligten daran, das Unfallgeschehen im Straßenverkehr auf mögliche Rechtsbeziehungen hin festzuhalten und einer unmittelbaren und alsbaldigen Aufklärung zuzuführen (vgl. Kretschmer in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl., § 142 Rn. 6 mwN; MüKoStGB/Zopfs, 3. Aufl., § 142 Rn. 2, 3; BT-Drs. 7/2434, 4 f.; BT-Drs. 7/3503, 3; vgl. auch zu § 142 StGB aF: BVerfGE 16, 191 [193 f.]). Dass von einem Unfallbeteiligten über diese Angaben hinaus der Unfallhergang, das Kraftfahrzeugkennzeichen und gegebenenfalls am Unfallort auch seine Person in einer kurzen Sequenz festgehalten werden, belastet ihn nicht entscheidend mehr als diese Regelung.

 

cc) Soweit (auch) ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild in Rede steht, führt das nicht zu einem abweichenden Abwägungsergebnis. Die Vorlage der Videoaufnahme bei Gericht als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess und ihre Verwertung zu diesem Zweck erfüllen grundsätzlich nicht den Tatbestand des „Verbreitens“ iSv § 22 KUG. Insoweit ist von einem planwidrigen Fehlen eines Ausnahmetatbestandes auszugehen und eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion geboten (vgl. LG München I, ZD 2017, 36 [37]; vgl. Senat, GRUR 2018, 757 Rn. 31; so iErg. auch EGMR, NJW 2015, 1079 Rn. 41; vgl. BGHZ 214, 94 = NJW 2017, 1378 = VersR 2017, 623 Rn. 65 ff.). Die Regelung geht auf einen anstoßerregenden Vorfall (Aufnahmen Bismarcks auf dem Totenbett, vgl. RGZ 45, 170) und die daran anschließende rechtspolitische Diskussion (vgl. Verhandlungen des 27. DJT, 1904, 4. Bd., 27 ff.) zurück und sucht einen angemessenen Ausgleich zwischen der Achtung der Persönlichkeit und den Informationsinteressen der Allgemeinheit herzustellen (vgl. Verhandlungen des Reichstages, 11. Legislaturperiode, II. Session, 1. Sessionsabschnitt 1905/1906, Nr. 30, 1526, 1540 f.; BVerfGE 101, 361 = NJW 2000, 1021 = GRUR 2000, 446 [451]). Sie soll also gerade nicht den hier vorliegenden Konflikt zwischen den Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des grundrechtsähnlichen Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber den Gerichten im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips lösen. Der vorliegende Sachverhalt wird vom Normzweck der Regelungen in §§ 22, 23 KUG nicht erfasst. Damit wird der Abgebildete aber nicht schutzlos gestellt, denn in der Anfertigung, Vorlage und Verwertung der Aufnahme liegt ein Eingriff in das über den Bildnisschutz des § 22 KUG hinausgehende Schutzgut des Rechts am eigenen Bild (vgl. Senat, BGHZ 207, 163 = NJW 2016, 1094 Rn. 31), dessen Rechtswidrigkeit sich bei fehlender Einwilligung aus einer Güterabwägung der jeweiligen schutzwürdigen Interessen ergeben und einer Beweisverwertung entgegen stehen kann. Insoweit kann auf die vorstehenden Erwägungen Bezug genommen werden.

 

III. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist aufzuheben und mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen (§§ 562 I, 563 I 1 ZPO), damit die erforderlichen Feststellungen zur Schadensverursachung unter Verwertung der Videoaufzeichnung – gegebenenfalls mit Ergänzung des Sachverständigengutachtens – nachgeholt werden können.