Kraftstoff-Mehrverbrauch: Ihre Rechte als Autokäufer sichern

Am Abend des 03.11.2015 hat der VW-Konzern eingeräumt, dass dass bei rund 800.000 Dieselmotoren Unregelmäßigkeiten im CO2-Ausstoß festgestellt wurden - und damit auch beim Kraftstoffverbrauch. Das bedeutet: Hunderttausende VW-Autos könnten mehr CO2 ausgestoßen und damit mehr Sprit verbraucht haben als vom Hersteller angegeben.

 

Nach einer internen Studie des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) weisen viele Modelle einen dramatischen Kraftstoff-Mehrverbrauch gegenüber den Herstellerangaben auf. Die Studie sollte geheim bleiben, wurde aber im November 2016 vom SPIEGEL veröffentlicht. Pkw-Käufer können infolge dieses Mehrverbrauchs den Kaufpreis mindern oder das Fahrzeug gar zurückgeben.

 

Welche Fahrzeuge sind betroffen?

 

DER SPIEGEL berichtet in seiner Ausgabe 46 auf Seite 68/69 von einer nicht-veröffentlichten Studie des Kraftfahrtbundesamtes (KBA), das im Zuge des sog. Dieselskandals den CO2-Ausstoß sowie den Kraftstoff-Mehrverbrauch von 53 Fahrzeugen untersuchen ließ. Das Ergebnis ist frappierend: 30 Dieselmodelle (u.a. Audi A6 2.0 und 3.0, Jaguar XE 2.0, Fiat Ducato 3.0, VW Polo 1.2 (EA 189), Range Rover Evoque 20, Mercedes C 220 2.1, Opel Zafira 1.6, VW Touran 2.0 (EA 288), BMW 216d GT 1.6, Smart Fortwo 0.8, VW Passat 2.0 (EA 189), VW Golf Sportsvan 2.0 (EA 288), VW Touareg 3.0, Volvo V60, 2.0, Suzuki Vitara 1.6, VW Golf 1.6 (EA 189)) überschritten die Herstellerangaben um mehr als 10 Prozent!

 

Es sollen rund 800.000 Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns betroffen sein. Es handelt sich demnach unter anderem um Autos der Marke VW Golf, VW Polo und VW Passat, sowie um Audi A1- und A3-Modelle, bei Skoda um den Octavia und bei Seat um den Leon und den Ibiza. Betroffen sind insbesondere Dieselmotoren mit 1,4, 1,6 und 2,0-Litern Hubraum Auch bei einem Benzinmotor mit Zylinderabschaltung gibt es Auffälligkeiten. Es handelt sich aber wohl um nur geringe Stückzahlen.

 

Ihre Rechte als Autokäufer

 

Bereits mit Beschluss vom 08.05.2007 (Az. VIII ZR 19/05) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass eine Abweichung des Kraftstoffverbrauchs eines verkauften Neufahrzeugs von den Herstellerangaben bei 10 % oder mehr einen Rücktritt vom Kaufvertrag ermöglicht.

 

Folgendes müssen Sie wissen:

 

Für den Kraftstoffverbrauch kommt es nach der Zielsetzung des sog. Neuen Europäischen Fahrzyklus‘ (NEFZ) seit dem 01.01.1996 nicht auf die Messung des tatsächlichen Verbrauchs an. Entscheidend ist vielmehr der Verbrauch unter Laborbedingungen nach EG-Messvorschriften.

 

Es gibt bislang nur sehr wenige Allrad-Doppelrollenprüfstand gemäß VO EG 715/2007, die den Kraftstoffverbrauch unter Laborbedingungen nachprüfen können. Der TÜV Rheinland betreibt etwa einen Prüfstand in Lambsheim. 

 

Wird auf einem solchen Rollenprüfstand festgestellt, dass der Verbrauch (unter Laborbedingungen) 10 % oder mehr von den Herstellerangeaben abweicht, kann der Käufer vom Autokaufvertrag zurücktreten. 

 

Das sagt der Bundesgerichtshof:

 

Mit Beschluss vom 08.05.2007 (Az. VIII ZR 19/05) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass ein Rücktritt vom Kaufvertrag bereits bei einer Abweichung des Kraftstoffverbrauchs von den Herstellerangaben von 10 % oder mehr möglich ist. Der BGH im Wortlaut:

 

"Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es für die Beurteilung der Erheblichkeit der Pflichtverletzung nicht darauf an, ob die Messverfahren nach der EG-Richtlinie 80/1268/EWG in der Fassung 1999/100/EG realitätsnäher sind als die früher maßgeblichen Prüfverfahren, die in den durch die oben genannten Urteile des BGH entschiedenen Fällen angewandt worden sind. Die Grenze von 10% ist keine technische oder physikalische Toleranzgrenze, die sich an Messungenauigkeiten oder Fertigungstoleranzen orientiert. Entscheidend sind vielmehr - ausgehend vom Maßstab des § 459 I 2 BGB a.F. - die Auswirkungen, die der Kraftstoffmehrverbrauch für den Käufer im Hinblick auf den Wert des Fahrzeugs hat (BGHZ 136, 94[98f.] = NJW 1997, 2590). Diese sind, wie oben ausgeführt, auch für die Beantwortung der Frage maßgeblich, ob eine nachteilige Abweichung von der nach § 434 BGB geschuldeten Beschaffenheit des Fahrzeugs eine unerhebliche Pflichtverletzung i.S. von § 323 V 2 BGB darstellt. Letzteres hat das BerGer. bei dem von ihm festgestellten Kraftstoffmehrverbrauch von 11% im städtischen Verkehr, 7% im außerstädtischen Verkehr und 6% im Durchschnitt der Fahrzyklen nach alledem zutreffend angenommen."

 

Der erfolgreiche Rücktritt hat große Vorteile für den Käufer:

 

Der Käufer kann den gesamten Brutto-Kaufpreis zurückverlangen. Er muss sich jedoch die Nutzungsvorteile anrechnen lassen. Allerdings werden die Nutzungsvorteile (für den Käufer sehr günstig!) linear und nicht progressiv angesetzt.

 

Folgendes Rechenbeispiel zur Illustration:

 

Der Käufer Herr K. hat vor zwei Jahren einen VW Passat zum Preis von 35.000,- € gekauft und ist mit ihm 40.000 km  gefahren. Von den Gerichten wird normalerweise angenommen, dass ein durchschnittlicher Pkw eine Lebensdauer von 250.000 km hat. Das heißt, Herr K. muss sich nur [40.000 / 250.000 x 35.000,- € =] 5.600,- € anrechnen lassen. Gegen Rückgabe des Pkw VW Passat an sein Autohaus erhält Herr K. sage und schreibe 29.400,- € zurück!

 

Wir bieten eine kostenlose Erstberatung:

 

Sind Sie Eigentümer eines der oben angesprochenen betroffenen Fahrzeuges oder haben Sie das Gefühl, dass Ihr Auto viel mehr verbraucht als in den Herstellerangaben in Aussicht gestellt, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir bieten wir Ihnen eine kostenlose Erstberatung an. Füllen Sie einfach kurz das Formular aus oder rufen Sie uns an unter 09151/905834.

 

Hinweis: Bitte die mit * gekennzeichneten Felder ausfüllen.

Aktuelles zum sog. Diesel-Gate:

Rechtsschutzversicherer muss Dieselverfahren decken

Das Landgericht Deggendorf (9a. Zivilkammer), Urteil vom 28.08.2023 – 9a O 273/22 hat klargestellt, dass ein Rechtsschutzversicherer Deckung für ein Klageverfahren gegen VW im Dieselskandal erteilen muss. Das Urteil betraf den Motor EA 288.

 

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Deckungsschutz aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag im Zusammenhang mit der Diesel-Abgas-Problematik.

 

2

Der Kläger ist über seine Ehefrau bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Auf den Vertrag finden die ARB 2000 Anwendung.

 

3

Er erwarb am 06.01.2015 einen PKW VW Golf Sportsvan, Erstzulassung 19.02.2015, zu einem Preis von 26.542,08 €. In dem Fahrzeug ist der Motor des Typs EA288 verbaut. Das Fahrzeug war nicht von einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts betroffen.

 

4

Mit Schreiben vom 08.10.2021 (Anlage K5) bat er über die Rechtsanwälte ... um die Erteilung einer Deckungszusage für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der VW AG.

 

5

Mit Schreiben vom 12.10.2021 (Anlage K6) forderte die Beklagte weitere Informationen an. Der Kläger übersandte den Entwurf einer Klageschrift.

 

6

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 21.10.2021 (Anlage K7) die Deckung wegen fehlender Erfolgsaussichten ab.

 

7

Der Kläger veräußerte das Fahrzeug am 06.01.2022 zu einem Preis von 9.700,00 € weiter.

 

8

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Gewährung von Deckungsschutz verpflichtet. Es sei Deckungsfiktion nach § 128 Satz 3 VVG eingetreten, da das Ablehnungsschreiben nicht den Anforderungen des § 128 Satz 2 VVG entsprochen habe. Im Schreiben vom 12.10.2021 fehle der erforderliche Hinweis vollständig. Es handele sich faktisch um ein Ablehnungsschreiben. Der Hinweis im Schreiben vom 21.10.2021 sei unzureichend, da er lediglich die ARB zitiere, aber nicht erläutere. Der Hinweis sei zudem im Fließtext versteckt, verweise nicht auf die Versicherungsbedingungen, nenne das Stichentscheidsverfahren nicht und setze eine unzulässige Frist. Er sehe eine widersprüchliche Kostenregelung vor. Jedenfalls aber bestünden Erfolgsaussichten. Hierzu behauptet er, in dem PKW seien illegale Abschalteinrichtungen verbaut. So sei im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Manipulation des Stickoxidspeicherkatalysators („NSK“) umgesetzt. Dem NSK komme die Funktion zu, schädliche Stickoxid-Emissionen aufzufangen, damit diese nicht mit den Abgasen in die Umwelt gelangten. Gelange das Fahrzeug auf den NEFZ-Prüfstand, stelle sich der Zähler unabhängig des eigentlichen NSK-Zustandes dank einer Standardeinstellung auf „0“, sodass der Katalysator länger emissionsarm – ohne Regeneration – betrieben werden könne. Daneben verfüge das Fahrzeug auch über ein sog. Thermofenster, das die Abgasreinigung bei niedrigen Temperaturen herunterfahre oder abschalte. Jedenfalls die Entscheidung des EuGH vom 21.03.2023 rechtfertige die Annahme von Erfolgsaussichten für das Klageverfahren.

 

9

Er beantragt, festzustellen,

 

dass die Beklagte aus dem mit der Klägerpartei geschlossenen Rechtsschutzschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer verpflichtet ist, für die außergerichtliche und erstinstanzliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die V. AG aufgrund des Fahrzeugkaufs vom 6. Januar 2015 Deckungsschutz gewähren.

 

10

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

11

Sie bestreitet das Vorhandensein illegaler Abschalteinrichtungen. Sie ist der Ansicht, sie sei nicht zur Gewährung von Deckungsschutz verpflichtet. Jedenfalls bestehe kein Anspruch auf Deckungsschutz für die außergerichtliche Tätigkeit, da diese erkennbar aussichtslos sei. Die Forderung sei aufgrund der zwischenzeitlichen Veräußerung des PKW auch überhöht, da dem Kläger allenfalls ein Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen Kaufpreis und Verkaufspreis unter Abzug der Nutzungsentschädigung zustehen könne. Sie bestreitet eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung der klägerischen Prozessbevollmächtigten.

 

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

 

 

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Dieselaffäre: Schadensersatz für Mercedes Benz C 220d

Der Bundesgerichtshof hebt ein klageabweisendes Urteil auf und verweist den Rechtsstreit zurück an das Oberlandesgericht Stuttgart. Dieses muss nun prüfen, ob der Besitzer eines im Jahr 2017 gebraucht gekauften Mercedes Benz C 220 d, der mit einem Motor der Baureihe OM 651 ausgerüstet ist und teilweise über ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG finanziert war,  über eine unzulässigen Abschalteinrichtung verfügt (BGH-Urteil vom 26. Juni 2023, Aktenzeichen: VIa ZR 1031/22 ).

Die wichtigsten Eckpunkte der Entscheidung:

  • Die Höhe des Schadensersatzes ist vom Richter zu schätzen. Hierzu führt der BGH aus: 

 "Nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat der Tatrichter die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu schätzen. Mit der Einräumung der Befugnis der Schadensschätzung nimmt das Gesetz in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung die Wirklichkeit nicht vollständig abbildet, solange sie nur möglichst nahe an diese heranführt. Dabei unterliegt die Schadensschätzung, die der Tatrichter nach freiem Ermessen vorzunehmen hat, nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Revisionsrechtlich überprüfbar ist lediglich, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Der Tatrichter muss bei der Ausübung seines Ermessens alle wesentlichen Gesichtspunkte, die Erfahrungssätze und die Denkgesetze beachtet haben."

  • Der Richter muss sich aber aus europarechtlichen Gründen innerhalb einer Bandbreite zwischen 5 % und 15 % des gezahlten Kaufpreises halten. Dies bedeutet, dass es auch im Falle eines finanzierten oder geleasten Pkw ausschließlich um den zugrundeliegenden Kaufpreis als Messgröße geht. Hierzu führt der BGH aus:

"Die Schätzung des Differenzschadens unterliegt in den Fällen des Vertrauens eines Käufers auf die Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung bei Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs unionsrechtlichen Vorgaben. Denn der Gerichtshof hat festgehalten, dass die vorzusehenden Sanktionen nach Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen und dass nationale Vorschriften dem Käufer die Erlangung eines angemessenen Schadensersatzes nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 90 und 93). Daraus ergeben sich Vorgaben des Unionsrechts für die Anwendung des nationalen Rechts sowohl in Bezug auf die Untergrenze als auch auf die Obergrenze des nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu gewährenden Schadensersatzes, die das Schätzungsermessen innerhalb einer Bandbreite zwischen 5% und 15% des gezahlten Kaufpreises rechtlich begrenzen. Der geschätzte Schaden kann aus Gründen unionsrechtlicher Effektivität nicht geringer sein als 5 % des gezahlten Kaufpreises. Anderenfalls wäre die Sanktionierung eines auch bloß fahrlässigen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 im Hinblick auf die Förderung der unionsrechtlichen Ziele wegen ihrer Geringfügigkeit nicht hinreichend wirksam. Die Schadensschätzung muss zu einer auch der Höhe nach für den Fahrzeughersteller fühlbaren Sanktion führen. Fühlbar in diesem Sinne ist die Sanktion allerdings nicht erst dann, wenn der zuerkannte Schadensersatz für sich betrachtet geeignet ist, eine Verhaltensänderung zu bewirken. Das wäre mit Blick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit der Hersteller einerseits und den in einem einzelnen Fall maximal in Frage kommenden Schadensbetrag andererseits kaum zu erreichen. Vielmehr genügt es, wenn einerseits jede Sanktion für sich betrachtet gemessen an dem mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Ertrag des Herstellers mit einer nicht ganz unerheblichen Einbuße verbunden ist und andererseits die Sanktionen wegen einer Vielzahl von Rechtsverstößen in ihrer Gesamtheit eine Verhaltensänderung im Sinne der Einhaltung aller Rechtsakte bewirken können. Das ist bei einer unteren Bemessungsgrenze des Schadensersatzes auf 5 % des gezahlten Kaufpreises der Fall. Ein allein nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und nicht auch nach §§ 826, 31 BGB geschuldeter Schadensersatz kann umgekehrt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht höher sein als 15 % des gezahlten Kaufpreises. Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV umfasst Fälle objektiv vergleichsweise geringfügiger Rechtsverstöße, die der Gesetzgeber lediglich als Ordnungswidrigkeit eingeordnet hat. Hinzu kommt, dass die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV den Fahrzeughersteller bezogen auf ein einzelnes Kraftfahrzeug im Falle der mehrfachen Veräußerung mehrfach trifft, so dass ein Kumulierungseffekt eintreten kann. Denn die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB trifft den Fahrzeughersteller auch in anderen Fällen als denjenigen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nicht nur im Verhältnis zum Neuwagenkäufer, sondern im Verhältnis zu jedem späteren Käufer des Kraftfahrzeugs als Gebrauchtwagen.

  • Bei der Schätzung des Schadens innerhalb eines Rahmens zwischen 5 % und 15 % hat der Tatrichter mit der Verwendung einer unzulässigen verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen zu berücksichtigen. 

Weiter hat er den Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf die Einzelfallumstände in den Blick zu nehmen. Maßgebend ist dabei eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Betrachtung. Er hat auch das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie den Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu bewerten, um so dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen.

  • Zur Einholung eines Sachverständigengutachtens ist der Tatrichter bei seiner Schätzung innerhalb des genannten Rahmens nicht gehalten
  • Für die Schätzung des Tatrichters ist Vortrag der Parteien dazu ohne Relevanz, die Verkaufspreise von Kraftfahrzeugen der betroffenen Baureihen seien entweder tatsächlich nicht mit Rücksicht auf die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen gesunken oder der Schaden belaufe sich im konkreten Fall auf weniger als 5  % oder mehr als 15 % des gezahlten Kaufpreises. Entsprechende Behauptungen sind, weil die Grundsätze der Effektivität auf der einen und der Verhältnismäßigkeit auf der anderen Seite den Ausgleich eines Differenzschadens aus Rechtsgründen begrenzen, unerheblich und können eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht rechtfertigen. 
  • Dass für die Schätzung des Differenzschadens auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, schließt eine schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände im Wege der Vorteilsausgleichung, deren Voraussetzungen der Fahrzeughersteller darzulegen und zu beweisen hat, allerdings nicht aus. Insofern gelten die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zum "kleinen" Schadensersatz nach § 826 BGB sinngemäß.
  • Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs sind erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022, aaO, Rn. 22). Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein SoftwareUpdate, kann damit eine Schadensminderung indessen nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet. Die Vorteilausgleichung kann der Gewährung auch eines Schadensersatzes aus § 823 Abs. 2 BGB entgegenstehen, wenn der Differenzschaden vollständig ausgeglichen ist. Der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte führt nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten (EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 94; vgl. schon BGH, Urteil vom 10. Oktober 2022 - VIa ZR 542/21, VersR 2023, 192 Rn. 22). 
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BGH: 5 % - 15 % Schadensersatz für VW Passat

Der Bundesgerichtshof spricht dem Käufer eines VW Passat Alltrack 2.0 l TDI, der mit einem Motor des Typs EA 288 ausgerüstet ist, mit Urteil vom 26. Juni 2023 (Aktenzeichen: VIa ZR 335/21) Schadensersatz wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu. Die Urteilsbegründung wurde heute veröffentlicht.

Die wichtigsten Eckpunkte der Entscheidung:

  • Die Höhe des Schadensersatzes ist vom Richter zu schätzen. Hierzu führt der BGH aus: 

 "Nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat der Tatrichter die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu schätzen. Mit der Einräumung der Befugnis der Schadensschätzung nimmt das Gesetz in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung die Wirklichkeit nicht vollständig abbildet, solange sie nur möglichst nahe an diese heranführt. Dabei unterliegt die Schadensschätzung, die der Tatrichter nach freiem Ermessen vorzunehmen hat, nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Revisionsrechtlich überprüfbar ist lediglich, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Der Tatrichter muss bei der Ausübung seines Ermessens alle wesentlichen Gesichtspunkte, die Erfahrungssätze und die Denkgesetze beachtet haben."

  • Der Richter muss sich aber aus europarechtlichen Gründen innerhalb einer Bandbreite zwischen 5 % und 15 % des gezahlten Kaufpreises halten. Dies bedeutet, dass es auch im Falle eines finanzierten oder geleasten Pkw ausschließlich um den zugrundeliegenden Kaufpreis als Messgröße geht. Hierzu führt der BGH aus:

"Die Schätzung des Differenzschadens unterliegt in den Fällen des Vertrauens eines Käufers auf die Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung bei Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs unionsrechtlichen Vorgaben. Denn der Gerichtshof hat festgehalten, dass die vorzusehenden Sanktionen nach Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen und dass nationale Vorschriften dem Käufer die Erlangung eines angemessenen Schadensersatzes nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 90 und 93). Daraus ergeben sich Vorgaben des Unionsrechts für die Anwendung des nationalen Rechts sowohl in Bezug auf die Untergrenze als auch auf die Obergrenze des nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu gewährenden Schadensersatzes, die das Schätzungsermessen innerhalb einer Bandbreite zwischen 5% und 15% des gezahlten Kaufpreises rechtlich begrenzen. Der geschätzte Schaden kann aus Gründen unionsrechtlicher Effektivität nicht geringer sein als 5 % des gezahlten Kaufpreises. Anderenfalls wäre die Sanktionierung eines auch bloß fahrlässigen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 im Hinblick auf die Förderung der unionsrechtlichen Ziele wegen ihrer Geringfügigkeit nicht hinreichend wirksam. Die Schadensschätzung muss zu einer auch der Höhe nach für den Fahrzeughersteller fühlbaren Sanktion führen. Fühlbar in diesem Sinne ist die Sanktion allerdings nicht erst dann, wenn der zuerkannte Schadensersatz für sich betrachtet geeignet ist, eine Verhaltensänderung zu bewirken. Das wäre mit Blick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit der Hersteller einerseits und den in einem einzelnen Fall maximal in Frage kommenden Schadensbetrag andererseits kaum zu erreichen. Vielmehr genügt es, wenn einerseits jede Sanktion für sich betrachtet gemessen an dem mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Ertrag des Herstellers mit einer nicht ganz unerheblichen Einbuße verbunden ist und andererseits die Sanktionen wegen einer Vielzahl von Rechtsverstößen in ihrer Gesamtheit eine Verhaltensänderung im Sinne der Einhaltung aller Rechtsakte bewirken können. Das ist bei einer unteren Bemessungsgrenze des Schadensersatzes auf 5 % des gezahlten Kaufpreises der Fall. Ein allein nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und nicht auch nach §§ 826, 31 BGB geschuldeter Schadensersatz kann umgekehrt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht höher sein als 15 % des gezahlten Kaufpreises. Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV umfasst Fälle objektiv vergleichsweise geringfügiger Rechtsverstöße, die der Gesetzgeber lediglich als Ordnungswidrigkeit eingeordnet hat. Hinzu kommt, dass die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV den Fahrzeughersteller bezogen auf ein einzelnes Kraftfahrzeug im Falle der mehrfachen Veräußerung mehrfach trifft, so dass ein Kumulierungseffekt eintreten kann. Denn die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB trifft den Fahrzeughersteller auch in anderen Fällen als denjenigen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nicht nur im Verhältnis zum Neuwagenkäufer, sondern im Verhältnis zu jedem späteren Käufer des Kraftfahrzeugs als Gebrauchtwagen.

  • Bei der Schätzung des Schadens innerhalb eines Rahmens zwischen 5 % und 15 % hat der Tatrichter mit der Verwendung einer unzulässigen verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen zu berücksichtigen. 

Weiter hat er den Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf die Einzelfallumstände in den Blick zu nehmen. Maßgebend ist dabei eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Betrachtung. Er hat auch das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie den Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu bewerten, um so dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen.

  • Zur Einholung eines Sachverständigengutachtens ist der Tatrichter bei seiner Schätzung innerhalb des genannten Rahmens nicht gehalten
  • Für die Schätzung des Tatrichters ist Vortrag der Parteien dazu ohne Relevanz, die Verkaufspreise von Kraftfahrzeugen der betroffenen Baureihen seien entweder tatsächlich nicht mit Rücksicht auf die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen gesunken oder der Schaden belaufe sich im konkreten Fall auf weniger als 5  % oder mehr als 15 % des gezahlten Kaufpreises. Entsprechende Behauptungen sind, weil die Grundsätze der Effektivität auf der einen und der Verhältnismäßigkeit auf der anderen Seite den Ausgleich eines Differenzschadens aus Rechtsgründen begrenzen, unerheblich und können eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht rechtfertigen. 
  • Dass für die Schätzung des Differenzschadens auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, schließt eine schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände im Wege der Vorteilsausgleichung, deren Voraussetzungen der Fahrzeughersteller darzulegen und zu beweisen hat, allerdings nicht aus. Insofern gelten die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zum "kleinen" Schadensersatz nach § 826 BGB sinngemäß.
  • Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs sind erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022, aaO, Rn. 22). Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein SoftwareUpdate, kann damit eine Schadensminderung indessen nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet. Die Vorteilausgleichung kann der Gewährung auch eines Schadensersatzes aus § 823 Abs. 2 BGB entgegenstehen, wenn der Differenzschaden vollständig ausgeglichen ist. Der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte führt nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten (EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 94; vgl. schon BGH, Urteil vom 10. Oktober 2022 - VIa ZR 542/21, VersR 2023, 192 Rn. 22). 
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BGH im Dieselskandal: Schadensersatz in Höhe von pauschal bis zu 15 % des Kaufpreises

Der Bundesgerichtshof hat am 26.06.2023 die Urteile im Dieselskandal verkündet. Autokäufer von Diesel-Fahrzeugen können Schadensersatz in Höhe von 5 bis 15 % des Kaufpreises geltend machen. Hersteller haften für Fahrlässigkeit, der Nachweis einer Schädigungsabsicht ist nicht mehr erforderlich! Der BGH folgt damit der Rechtsprechung des EuGH. Es ging um Motoren der Hersteller Audi, Mercedes Benz und VW.  Aber auch Besitzer von BMW-Fahrzeugen profitieren von der neuen Rechtsprechung.

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BGH will am 26. Juni Diesel-Urteile in Sachen Audi, Mercedes und VW verkünden

Der Bundesgerichtshof hat heute viele Stunden das Thema Dieselskandal mit den Anwälten verhandelt. Es ging um Motoren der Hersteller Audi, Mercedes Benz und VW.  Im Verfahren mit dem Aktenzeichen VIa ZR 533/21 hatte der Kläger im Mai 2018 von einem Vertragshändler der Audi AG einen Audi SQ5 Allroad 3.0 TDI, der mit einem Motor der Baureihe EA 896Gen2BiT ausgerüstet ist, gekauft. In dem Verfahren mit dem Aktenzeichen VIa ZR 1031/22 hatte der Kläger im Oktober 2017 von der Mercedes-Benz Group AG einen Mercedes-Benz C 220 d, der mit einem Motor der Baureihe OM 651 ausgerüstet ist gekauft. Ferner ging es in einem weiteren Verfahren um einen VW, der den Motor EA288 verbaut hatte. 

Der Ausgang der heutigen Verhandlung wurde mit Spannung erwartet, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil vom 21.03.2023 (Aktenzeichen: C-100/21) einem Verbraucher im Streit mit Mercedes-Benz Recht gegeben hatte: Danach muss der Autobauer einem Kunden grundsätzlich Schadensersatz zahlen, weil in dessen Diesel-Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung (sog. Thermofenster) verbaut worden war. Für die Haftung reicht nach den Vorgaben des EuGH bereits einfache Fahrlässigkeit des Herstellers (und nicht erst - was der Bundesgerichtshof bislang verlangt hatte - eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung), wenn ihm durch die Abschalteinrichtung ein Nachteil entstanden ist.

 

Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Heute wurde noch keine Entscheidung verkündet. Die Urteile sollen jedoch am 26.06.2023 gesprochen werden. 

 

Wie haben sich die Richter in der Verhandlung positioniert?

Die Anwälte der Autohersteller argumentierten heute damit, dass es - wie im Fall von VW etwa - eine uneingeschränkte Typ-Genehmigung durch das KBA gegeben habe und sich die Hersteller darauf verlassen hätten. Der Senat ließ Zweifel erkennen, dass dies ausreiche. Daher ist Optimismus angebracht, dass die Klagen Erfolg haben werden. 

 

Können Sie von der Rechtsprechung profitieren?

Es zeichnet sich ab, dass Käufer von Audi-, Mercedes- und VW-Fahrzeugen Schadensersatz fordern können, wenn in ihrem Fahrzeug eine Abschalteinrichtung oder ein Thermofenster verbaut wurde. Wir beraten Sie kostenfrei, ob dies bei Ihrem Fahrzeug der Fall ist. Füllen Sie hierzu einfach das Formular aus.

 

Wir melden uns innerhalb von 24 Stunden bei Ihnen zurück:

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