Auch das OLG Frankfurt kippt die Sparkassen-Belehrung ("Bitte Frist im Einzelfall prüfen")

Nach den Oberlandesgerichten Brandenburg, München und Nürnberg hat nun auch das Oberlandesgericht Frankfurt die vielfach von den Sparkassen im ganzen Bundesgebiet verwendete Widerrufsbelehrung ("Bitte Frist im Einzelfall prüfen") als unwirksam angesehen (Az.: 17 U 16/15). Dies ist ein weiterer schwerer Schlag für die Sparkassen, die sich bislang in ihrer Argumentation häufig auf ältere Entscheidungen des OLG Frankfurt bezogen haben.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat da OLG Frankfurt u.a. ausgeführt:

 

Das Landgericht hat weiterhin zutreffend dargelegt, dass die Widerrufsbelehrung insofern zu beanstanden ist, als sie die Formulierung enthält „Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung.“ Diese Formulierung wird nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes den Maßstäben des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a. F. und dem darin enthaltenen Deutlichkeitsgebot nicht gerecht. Denn eine Belehrung, die sich hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auf die Aussage beschränkt, dass die Frist frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung beginnt, ist - wie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inzwischen geklärt ist - nicht in der erforderlichen Weise eindeutig und umfassend, weil die Verwendung des Wortes „frühestens“ es dem Verbraucher nicht ermöglicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen [...]

 

Zudem hat das Landgericht weiterhin zutreffend ausgeführt, dass sich die Beklagte im vorliegenden Fall auch nicht auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die Musterbelehrung nach Anlage 2 zu § BGBINFOV § 14 Abs. BGBINFOV § 14 Absatz 1 BGB-InfoV in der seinerzeit maßgeblichen Fassung berufen kann. Ein Vertrauensschutz zugunsten der Beklagten als Verwenderin der Widerrufsbelehrung ist nur dann anzunehmen, wenn das von der Beklagten verwendete Formular dem Muster der maßgeblichen Anlage zu § 14 Absatz 1 und Absatz 3 BGB InfoV sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 28.06.2011, XI ZR 349/10). Die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV besteht nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur dann, wenn ein Formular verwendet wird, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Absatz 1 BGB-InfoV a. F. sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. BGH Aktenzeichen IIZR16314 II ZR 163/14, Juris Rdnr. 8; BGH v. 18.03.2014, Az. BGH Aktenzeichen IIZR10913 II ZR 109/13, Juris Rdnr. 15; BGH v. 01.12.2010, Az. BGH Aktenzeichen VIIIZR8210 VIII ZR 82/10, Juris Rdnr. 15). Greift der Unternehmer in den Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb unabhängig vom konkreten Umfang der Änderung auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht mehr berufen (BGH v. 01.03.2012, Az. BGH Aktenzeichen IIIZR8311 III ZR 83/11, Juris Rdnr. 17). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Veränderungen wesentlich sind oder sich negativ auf Verständlichkeit der Belehrung auswirken. Maßgeblich ist allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. BGH Aktenzeichen IIZR16314 II ZR 163/14, Juris Rdnr. 8; BGH v. 18.03.2014, Az. BGH Aktenzeichen IIZR10913 II ZR 109/13, Juris Rdnr. 18). Zwar bleiben nach der Rechtsprechung geringfügige Anpassungen, wie etwa diejenige der Formulierung des Fristbeginns an das Gesetz (vgl. hierzu BGH v. 20.11.2012, Az. BGH Aktenzeichen IIZR26410 II ZR 264/10, Juris Rdnr. 6) möglich (vgl. auch OLG Frankfurt v. 29.12.2014, Az. OLGFRANKFURTAM Aktenzeichen 23U8014 23 U 80/14, Juris Rdnr. 17), doch liegt eine solche geringfügige Anpassung hier nicht vor. Demgemäß kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Abweichung von der Widerrufsbelehrung betreffe nur Nuancen ohne erkennbare eigentliche Abweichung hinsichtlich des bearbeiteten Textes. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.22Die verwendete Widerrufsbelehrung enthält zunächst abweichend von dem Mustertext einen Zusatz in der Überschrift sowie zwei Fußnotenverweise und einen Klammerzusatz, die in dem Mustertext nicht enthalten sind. Es kann letztlich vorliegend dahingestellt bleiben, inwiefern hierin eine inhaltliche Bearbeitung und damit Abweichung von der in Anlage 2 zur § BGBINFOV § 14 BGB-InfoV vorgesehenen Musterbelehrung liegt. Allerdings neigt der Senat zu der Annahme, dass durch die Anbringung der Fußnote 2, deren Text sich zudem außerhalb der Umrandung befindet, gerade keine inhaltliche Bearbeitung des Textes stattfinden sollte, so dass diese einem Vertrauensschutz noch nicht entgegen steht. Während diese damit nicht mehr Bestandteil der eigentlichen Widerrufsbelehrung ist, stellt sie und zudem keine inhaltliche Änderung dar, da sie lediglich klarstellt, dass die Frist im Einzelfall zu prüfen ist und damit weder die Angaben zu der Frist selbst oder zu deren Beginn und Lauf inhaltlich einer Bearbeitung unterzieht oder ändert (ebenso OLG Bamberg, Beschluss vom 01.06.2015, Az.: OLG Bamberg Aktenzeichen 6U1315 6 U 13/15, Rdnr. 83,84, zitiert nach juris; a.A.: OLG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2015, Az.: 14 U 2439/14, juris, Rdnr. 31; OLG München, Urteil vom 21.10.2013, Az.: OLGMUENCHEN Aktenzeichen 19U120813 19 U 1208/13; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.10.2012, Az.: OLGBRANDENBURG Aktenzeichen 4U19411 4 U 194/11). Dies gilt auch für die Fußnote 1 und den Zusatz in der Überschrift, da die Überschrift selbst nicht Bestandteil der Belehrung ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.11.2011, Az. BGH Aktenzeichen IZR12310 I ZR 123/10).23Allerdings sieht der Senat in dem dritten Absatz, der mit „Finanzierte Geschäfte“ überschrieben ist, eine inhaltliche Änderung und Abweichung von der Musterbelehrung. Zunächst ergibt sich klar aus dem Gestaltungshinweis Nr. 9 des damaligen Musters, dass diese Passage entfallen kann, wenn ein verbundenes Geschäft nicht vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2014, BGH Aktenzeichen IIZR10913 II ZR 109/13, zitiert nach juris). Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber grundsätzlich eine umfassende Belehrung für notwendig erachtet hat, dem Verwender jedoch freigestellt hat, auch auf diese Passage zu verzichten, wenn kein finanziertes Geschäft vorliegt. Hiervon hat die Beklagte aber keinen Gebrauch gemacht, sondern diesen Absatz dennoch aufgenommen, auch wenn kein verbundenes Geschäft i. S. d. § BGB § 358 Abs. BGB § 358 Absatz 3 Satz 3 BGB vorliegt. Weiterhin sieht Ziffer 9 der Gestaltungshinweise der Anlage 2 zu § BGBINFOV § 14 BGB-InfoV vor, dass für das Vorliegen eines finanzierten Geschäftes mehrere Alternativen der Belehrung zur Verfügung stehen und zwar je nachdem, ob für das finanzierte Geschäft oder den Darlehensvertrag belehrt werden soll und um welche Art eines verbundenen Geschäfts es sich handelt, bspw. ob es um den finanzierten Erwerb eines Grundstückes geht. Vorliegend hat die Beklagte allerdings den Gestaltungshinweis Ziffer 9 des Musters betreffend die Hinweise für finanzierte Geschäfte missachtet, wonach im Fall des finanzierten Grundstückserwerbs Satz 2 der allgemeinen Hinweise zwingend durch spezielle Hinweise zu ersetzen ist. Denn statt Satz 2 zu ersetzen, hat die Beklagte die Belehrung betreffend den finanzierten Grundstückserwerb hinter Satz 2 in die vollständig beibehaltenen Hinweise für finanzierte Geschäfte eingefügt. Zudem hat sie die in den Gestaltungshinweisen vorgegebene Musterformulierung inhaltlich verändert, indem sie die einleitende Formulierung „Dies ist nur anzunehmen“ durch die abweichende und längere Formulierung „Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen“ ersetzt hat. Damit ist sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Gestaltung der Widerrufsbelehrung durch die von ihr bearbeiteten Gestaltungshinweise inhaltlich von der vorgesehenen Gestaltung abgewichen, so dass sie sich auf den Vertrauensschutz des § BGBINFOV § 14 BGB-InfoV nicht mehr berufen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Veränderungen wesentlich sind oder sich negativ auf Verständlichkeit der Belehrung auswirken. Maßgeblich ist allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat (vgl. BGH v. 10.02.2015, Az. BGH Aktenzeichen IIZR16314 II ZR 163/14, Juris Rdnr. 8; BGH v. 18.03.2014, Az. BGH Aktenzeichen IIZR10913 II ZR 109/13, Juris Rdnr. 18). Gerade dies ist vorliegend erfolgt, da die Beklagte durch Missachtung des Gestaltungshinweises Ziffer 9 und durch Umformulierung des vorgegebenen Mustertextes in das zur Verfügung gestellte Muster inhaltlich eingegriffen hat. Dann kann sie sich auf die mit einer unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht mehr berufen, unabhängig davon, ob der geänderte Teil der Musterbelehrung im konkreten Fall einschlägig ist (BGH, Urteil vom 28.06.2011, Az. BGH Aktenzeichen XIZR34910 XI ZR 349/10, Rn. 39, zitiert nach juris; a.A. OLG Bamberg, a. a. O..).

 

Da die Widerrufsbelehrung der Beklagten insoweit von der Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Absatz 1 BGB-InfoV a. F. abweicht und die Beklagte schon aus diesem Grund keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen kann, kommt es nicht darauf an, ob die Widerrufsbelehrung auch wegen der anderen, von dem Kläger geltend gemachten Passagen von der Musterbelehrung abweicht.